Morbus Wilson

Morbus Wilson

Suche, blaues Icon
Anwendungsbeschreibung

Morbus Wilson

Was ist Morbus Wilson?

Morbus Wilson, auch Kupferstoffwechselkrankheit genannt, ist eine seltene, genetische Störung des Kupferstoffwechsels, die zu einer schädlichen Einlagerung von Kupfer in verschiedenen Organen führt, insbesondere in der Leber und im Gehirn.1 Die Symptome und der Krankheitsverlauf können von Patient zu Patient sehr unterschiedlich und unspezifisch sein.2

Frühzeitig erkannt kann Morbus Wilson gut behandelt werden und es besteht die Möglichkeit einer nahezu normalen Lebenserwartung.1,2 Unbehandelt können hepatische, neurologische sowie psychiatrische Manifestationen lebensbedrohliche Konsequenzen zur Folge haben.3,4,5

Infoblatt Morbus Wilson ansehen
Video

Erklärvideo

Morbus Wilson im Fokus

Was kann man sich unter dem Kayser-Fleischer-Ring vorstellen und welche Rolle spielt Kupfer in unserem Stoffwechsel?

Antworten auf diese und weitere Fragen bekommen Sie in diesem Video.

Die heute gängige Bezeichnung „Morbus Wilson“ geht auf den britischen Neurologen Samuel Alexander Kinnier Wilson (1878 – 1937) zurück. Dieser verstand die Erkrankung als Multisystemerkrankung und beschrieb sie 1912 in seiner Dissertation als Erster als „progressive lenticular degeneration, a familiar, lethal neurologic disease accompanied by chronic liver disease leading to cirrhosis“.2

Häufigkeit der Erkrankung

Morbus Wilson | Prävalenz

Die Krankheitshäufigkeit (Prävalenz) wird weltweit auf 1 Fall pro 30.000-67.000 Einwohner geschätzt, wobei z.T. starke geographische Unterschiede existieren.2,6-10

Erkrankungsalter

Morbus Wilson | Erkrankungsalter

Morbus Wilson manifestiert sich üblicherweise zwischen dem 5. und 45. Lebensjahr, kann in seltenen Fällen aber auch im früheren oder späteren Alter auftreten.2,11

Geschlecht

Morbus Wilson | Geschlecht

Morbus Wilson tritt geschlechtsunspezifisch auf.2

Was ist die Ursache von Morbus Wilson?

Morbus Wilson wird durch Mutationen im ATP7B-Gen verursacht. Es handelt sich demnach um einen genetischen Defekt, der in der Regel vererbt wurde. ATP7B ist ein Kupfer-Transportprotein, dass in unserem Körper den Kupferhaushalt reguliert und überschüssiges Kupfer aus dem Körper entfernt. Durch eine Veränderung des Gens, eine sogenannte Mutation, kann es allerdings dazu kommen, dass das ATP7B-Protein in den Leberzellen weniger oder gar nicht mehr aktiv ist. In der Folge kann überschüssiges Kupfer nicht mehr effektiv ausgeschieden werden, wodurch es zu schädlichen Kupfer-Einlagerungen in verschiedenen Organen kommt.1,4,12

Wie wird Morbus Wilson vererbt?

Morbus Wilson wird autosomal rezessiv vererbt. Das bedeutet, dass in den meisten Fällen beide Elternteile eines Erkrankten ein mutiertes ATP7B-Gen in sich tragen. Dieses defekte Gen wird im Regelfall allerdings von einem zweiten gesunden ATP7B-Gen ausgeglichen – die Eltern sind demnach gesund, werden aber als Merkmalsträger bezeichnet. Erst wenn das Kind von jedem Elternteil ein defektes ATP7B-Gen erbt, erkrankt es an Morbus Wilson. Die Wahrscheinlichkeit dafür liegt bei 25 % (siehe Infografik).

Morbus Wilson | Infografik Vererbung

Autosomal: Betrifft ein Chromosom, welches nicht an der Bestimmung des biologischen Geschlechts beteiligt ist
Rezessiv: Nur wenn das Kind zwei mutierte Kopien desselben Gens erbt, jeweils eine Kopie von jedem Elternteil, erkrankt es. Erhält das Kind eine mutierte und eine gesunde Erbanlage, so tritt die Erkrankung nicht auf. Das Kind ist dann ein Merkmalsträger.

Kupferstoffwechsel

Kupfer spielt als Spurenelement bei vielen Prozessen in unserem Körper wie der Herstellung von Botenstoffen im Gehirn oder der Zellatmung eine wichtige Rolle.13 Aufgenommen wird Kupfer über die Nahrung im Darm, von wo es zur Leber transportiert wird.4 Überflüssiges Kupfer kann dort anschließend mit Hilfe der ATP7B-Kupfer-Transporter über die Galle ausgeschieden werden. Ist dieser Prozess gestört, kommt es zur schädlichen Kupferansammlung in der Leber12,14 und über die Zeit auch in multiplen anderen Organen.13

Kupferstoffwechsel und Morbus Wilson1,2

Morbus Wilson | Kupferstoffwechsel
Group 3 Created with Sketch.

Symptome und Krankheitsverlauf

Klinisches Bild des Morbus Wilson

Bei Morbus Wilson ist eine Vielzahl von Organen von den schädlichen Kupfereinlagerungen betroffen. Entsprechend vielfältig können die Symptome sein (siehe Abbildung).2 Die Ausprägung und Kombination der einzelnen Symptome können bei jedem Patienten unterschiedlich sein. Der Krankheitsverlauf bei Morbus Wilson variiert in hohem Maße. Bei Kindern präsentiert sich die Erkrankung in der Regel überwiegend durch Symptome der Leber, auch wenn milde neurologische Symptome ebenfalls schon vorhanden sein können. Nach der Pubertät prägen oft neurologische oder psychiatrische Symptome das klinische Bild.2,15

Morbus Wilson – betroffene Organe und Funktionen1,2

Morbus Wilson | betroffene Organe und Funktionen
Morbus Wilson | Kayser-Fleischer-Kornealring

 

 

Der Kayser-Fleischer-Kornealring ist ein typisches Symptom des Morbus Wilson und ist durch Kupferablagerungen in der Kornea (Hornhaut des Auges) gekennzeichnet, welche als goldbrauner Ring erkennbar sind.1

Diagnose

Diagnose

Diagnose des Morbus Wilson

Die vielfältigen Symptome des Morbus Wilson können eine Herausforderung für die Diagnostik darstellen. Verzögerungen sind deshalb keine Seltenheit:16 bis zur Diagnose des Morbus Wilson vergehen im Durchschnitt oft mehr als 2 Jahre. Außerdem werden Patienten mit primär neurologischen Symptomen deutlich später diagnostiziert als Patienten mit Symptomen der Leber.9,17

Besteht der Verdacht auf die Erkrankung, so werden verschiedene Maßnahmen zur Diagnosestellung durchgeführt. Dazu gehören körperliche und neurologische Untersuchungen, eine Überprüfung der Augen, die Bestimmung verschiedener Laborparameter sowie ggf. eine genetische Untersuchung.1,2,7,17

Diagnostische Maßnahmen bei Verdacht auf Morbus Wilson1,2,7,17

Körperliche und neurologische Untersuchung

Morbus Wilson | körperliche und neurologische Untersuchung

Bei der körperlichen und neurologischen Untersuchung können z. B. über bildgebende Verfahren typische Veränderungen im Gehirn oder Leberschäden erkannt werden.

Augenärztliche Untersuchung

Morbus Wilson | Augenärztliche Untersuchung

Bei der augenärztlichen Untersuchung wird gezielt nach den typischen Kayser-Fleischer-Kornealringen gesucht.

Labor

Morbus Wilson | Laboruntersuchung

Im Labor wird eine Vielzahl an Parametern ermittelt, die typischerweise bei Morbus Wilson verändert sind, wie z. B.:

  • Blutwerte wie Kupfer und Coeruloplasmin im Serum
  • Ausscheidung von Kupfer über den Urin
  • Kupfernachweis in der Leber mittels einer Leberbiopsie
Genetische Untersuchung

Morbus Wilson | Genetische Untersuchung

Eine genetische Untersuchung kann für die Diagnostik herangezogen werden. Ein Gentest kann die Diagnose Morbus Wilson bestätigen, sie aber nicht ausschließen.

Wirkmechanismus

Therapie

Therapie des Morbus Wilson

Morbus Wilson | Medikamentöse Einnahme
Bei der medikamentösen Therapie kommen verschiedene Wirkstoffe zum Einsatz, welche entweder das überschüssige Kupfer im Körper binden und die Ausscheidung über den Urin fördern (Chelatbildner) oder die Aufnahme des Kupfers über den Verdauungstrakt hemmen (Zinksalze).2,7,19
Morbus Wilson | kupferarme Diät

Auch die Anpassung der Ernährung spielt als nicht-medikamentöse Maßnahme eine Rolle bei der Therapie des Morbus Wilson. So kann eine kupferarme Diät die medikamentöse Therapie unterstützen, indem auf kupferreiche Lebensmittel wie Pilze, Innereien, Krustentiere, Nüsse, Kakao und Rosinen verzichtet wird.1,18 Außerdem sollte auf für die leberschädliche Substanzen wie Alkohol verzichtet werden.1
Morbus Wilson | Lebertransplantation

In seltenen Fällen bei akutem Leberversagen kann eine Lebertransplantation durchgeführt werden. Da die transplantierte Leber den genetischen Defekt nicht in sich trägt, ist eine weitere entkupfernde Therapie im Regelfall nicht mehr erforderlich. Insgesamt ist die Prognose nach Transplantation günstig, allerdings ist eine lebenslange immunsuppressive Therapie erforderlich. Zudem scheint die Transplantation nur geringe Auswirkungen auf neurologische und psychiatrische Symptome zu haben.2,7,8
  • Medikamentöse Maßnahmen
  • Nicht-medikamentöse Maßnahmen
  • Lebertransplantation
Glossar

Glossar

autosomal Betrifft ein Chromosom, welches nicht an der Bestimmung des biologischen Geschlechts beteiligt ist
Biopsie Entnahme von Zellen aus einem Gewebe zwecks weiterer Untersuchung
Coeruloplasmin Transportprotein für Kupfer im Blut, das in der Leber gebildet wird
Chelatbildner  Chelatbildner binden Kupfer und beschleunigen die Ausscheidung von Kupfer aus dem Körper. Bestimmte Chelatbildner werden bei Morbus Wilson zur Therapie eingesetzt.
hepatisch Die Leber betreffend
Hepatitis Entzündung der Leber
kognitiv Das Denken betreffend
Merkmalsträger
Gesunde Person, die ein mutiertes und ein gesundes Merkmal bzw. Gen in sich trägt und an die nächste Generation vererben kann
Multisystemerkrankung Erkrankung, die mehrere Organsysteme gleichzeitig betrifft
neurologisch
Das Nervensystem betreffend

Osteoporose

Im Volksmund auch als Knochenschwund bezeichnet, beschreibt eine Reduzierung der Knochendichte aufgrund eines unzureichenden Aufbaus der Knochensubstanz und/oder einem verstärkten Abbau
Prävalenz Häufigkeit einer Krankheit zu einem bestimmten Zeitpunkt
psychiatrisch Die Psyche betreffend
Psychose Psychische Störung, bei der Betroffene die Realität verändert wahrnehmen oder verarbeiten
rezessiv Mutiertes Merkmal, dass nur in Erscheinung tritt, wenn ein weiteres mutiertes Merkmal bzw. Gen vererbt wurden. In Gegenwart einer gesunden Merkmals-Variante wird das rezessive Merkmal ausgeglichen und tritt nicht in Erscheinung
Transportprotein
Eiweiß in den Wänden von Zellen, die den Transport bestimmter Substanzen ermöglicht bzw. erleichtert

Mehr entdecken

Weiterführende Inhalte zu Morbus Wilson

Patientin

Patientenmaterialien

Erfahren Sie mehr über Morbus Wilson in unserem Infoblatt.
Jetzt downloaden ...

weißer Pfleil nach rechts
Stoffwechselerkranungen - Teaser

Seltene Stoffwechsel-erkrankungen

Stoffwechselerkrankungen zeichnen sich durch Störungen eines oder mehrerer Stoffwechselwege im Körper aus und können sich auf eine Vielzahl von Organen auswirken.
Mehr erfahren ...

weißer Pfleil nach rechts

referenzen

  1. Członkowska A. et al. Wilson disease. Nat Rev Dis Primers 2018; 4(1):21.
  2. Reuner U. und Dinger J. Neurologie up2date 2021; 4(01):71-89.
  3. Gow PJ. et al. Diagnosis of Wilson's disease: an experience over three decades. Gut 2000; 46(3):415-419.
  4. Patil M. et al. A review and current perspective on Wilson disease. J Clin Exp Hepatol 2013; 3(4): 321-336.
  5. Gao J. et al. The global prevalence of Wilson disease from next-generation sequencing data. Genet Med 2019; 21(5):1155-1163.
  6. Roberts EA. und Schilsky ML. Diagnosis and treatment of Wilson disease: an update. Hepatology 2008; 47(6):2089-2111.
  7. European Association for Study of Liver. EASL Clinical Practice Guidelines: Wilson's disease. J Hepatol 2012; 56(3):671-685.
  8. Socha P. et al. Wilson's disease in children: a position paper by the Hepatology Committee of the European Society for Paediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition. J Pediatr Gastroenterol Nutr 2018; 66(2):334-344.
  9. Poujois A. et al. Characteristics and prevalence of Wilson's disease: A 2013 observational population-based study in France. Clin Res Hepatol Gastroenterol 2018; 42(1):57-63.
  10. Cheung KS. et al. Epidemiology and natural history of Wilson’s disease in the Chinese: a territory-based study in Hong Kong between 2000 and 2016. World J Gastroenterol 2017; 23(43):7716-7726.
  11. Hermann W. und Huser D. Diagnostik des Morbus Wilson. Nervenarzt 2018; 89(2):115–123.
  12. Forbes JR. und Cox DW. Copper-dependent trafficking of Wilson disease mutant ATP7B proteins. Hum Mol Genet 2000; 9(13):1927-1935.
  13. Catalani S. et al. Free copper in serum: an analytical challenge and its possible applications. J Trace Elem Med Biol 2018; 45:176-180.
  14. Petrukhin K. et al. Characterization of the Wilson disease gene encoding a P-type copper transporting ATPase: genomic organization, alternative splicing, and structure/function predictions. Hum Mol Genet 1994; 3(9):1647-1656.
  15. Fernando M. et al. Wilson disease in children and adolescents. Arch Dis Child 2020; 105(5): 499-505.
  16. Walshe JM. Cause of death in Wilson disease. Mov Disord 2007; 22(15):2216-2220.
  17. Merle U. et al. Clinical presentation, diagnosis and long-term outcome of Wilson's disease: a cohort study. Gut 2007; 56(1):115-120.
  18. S1-Leitlinie. Wilson Disease. DGN. 2012. Verfügbar unter: https://dgn.org/leitlinien/ll-14-2012-morbus-wilson/; Letzter Zugang Januar 2022.
  19. Aggarwal A. und Bhatt M. Advances in treatment of Wilson disease. Tremor Other Hyperkinet Mov (N Y) 2018; 8:525.

Sie werden bevorzugt per Telefon kontaktiert?

* Pflichtfelder